Ausgehungert vollgestopft
Wie entsteht Übergewicht?
Ich gehe immer von der Grundthese aus: Der Körper ist ja nicht doof.
Wenn wir also mehr essen oder mehr Vorräte einlagern als gesund ist, dann gibt es dafür einen Grund.
Wissenschaftler haben inzwischen an Experimenten mit Menschen und – ja, Sie haben richtig gelesen – an Mormonengrillen (einer Art von wandernden Heuschrecken in den USA) interessante universelle Ernährungsprinzipien erkannt (Simpson und Raubenheimer 2005, 2012, 2014, Gosby et al 2011, 2014 zitiert in Bas Kast „Der Ernährungskompass“). So kann man beobachten, dass ein subjektives Sättigungsgefühl erst entsteht, wenn man eine gewisse Menge Eiweiß (12-14% der nötigen Kalorien) zu sich genommen hat. Ernähren wir uns also hauptsächlich von Kohlenhydraten (und Fett) ist die Gefahr groß, dass wir einfach länger und öfter essen als nötig, weil der Körper zwar die nötige Menge an Kalorien für den Brennstoffwechsel erreicht hat, aber nicht die nötige Menge an Eiweiß für den Baustoffwechsel.
Das ist einer der Gründe weshalb Menschen, die sich bisher kohlenhydratlastig ernährt haben eine Weile „Low Carb“ gut tut bzw. sie endlich abnehmen lässt. Sie fühlen sich einfach früher „satt“. Gegen Less Carb oder Slow Carb habe ich auch gar nichts. Als Dauerernährungstrategie ist eine zu Eiweißreiche Ernährung aber oft problematisch, weil Sie zu Ablagerungsproblemen wie z.B. Gicht in den Gelenken und durch den Überschuss an Eiweiß zu Fäulnis im Darm führen kann mit all seinen Folgeerscheinungen.
Eiweiß abzubauen erfordert mehr Entgiftungskapazität insbesondere der Leber, da der Stickstoff in Form von Ammoniak und anderen giftigen Abbauprodukten sowie der Schwefel in Form von Schwefelwasserstoff und schlimmstenfalls dem sehr giftigen Cresol-Sulfat entgiftet werden muss. Wenn das nicht gelingt entstehen mit der Zeit andere gesundheitliche Probleme als bei Kohlenhydratmast, aber gesund ist es ebensowenig.
Fett und Kohlenhydrate können wir in Form von Trigylderiden im Fettgewebe und Glykogen in der Leber zwischenspeichern, von Eiweiß brauchen wir eine relativ enge Spannbreite, nicht zu viel und nicht zu wenig. Da die Lebensmittelindustrie diesen Effekt kennt, sind nahe zu alle stark verarbeiteten Lebensmittel so designt, dass sie evtl. sogar nach Eiweiß riechen oder schmecken (herzhaft, würzig, fleischähnlich, salzig) wie z.B. Chips, aber sehr wenig davon enthalten, so dass man „nicht mehr aufhören kann“ bis die Tüte leer ist. Oder aber sie enthalten ein bestimmtes Verhältnis von Fett zu Kohlenhydraten, die ein „high“ Gefühl erzeugen, wie z.B. Eiscreme, Schokolade und Pommes frites. All diese Lebensmittel enthalten so wenig Eiweiß, dass wir unwillkürlich mehr davon essen als wir an Kalorien benötigen, weil das Maß an lebensnotwendigen Baustoffen noch nicht erreicht ist.
Nun kann aber auch sein, wir nehmen das richtige Verhältnis an Kohlenhydraten, Fett und Eiweiß zu uns, aber wir nehmen trotzdem ständig zu. Wie kommt das?
Das hat dann in der Regel zwei wesentliche Ursachen.
Zum einen fehlt dem Körper einfach immernoch irgendetwas. So können wir uns fragen, was ist denn das „positiv ähnliche“ also die natürliche Variante von dem worauf wir Heißhunger haben? Wenn ich das Bedürfnis nach viel Zucker habe kann dies drei Ursachen haben: Meine Candida oder ein anderer unerwünschter Untermieter ruft nach Zucker, mein Suchtzentrum will mehr Spaß oder es fehlt mir tatsächlich an irgendeinem essentiellen Stoff der möglicherweise in den Nahrungsmitteln vorkommt, die natürlicherweise süß sind. Das ist z.B. Obst. Kann also sein, ich habe einen Mangel an bestimmten Mineralstoffen, Vitaminen oder Enzymen. Das kann man im Blut, Stuhl oder Urin untersuchen lassen. Schon oft habe ich erlebt, dass mir Betroffene dann erzählen, dass Sie sich trotz Übergewicht irgendwie „mangelernährt“ fühlen. Dieses sollte man auf jeden Fall ernst nehmen und dann die entsprechenden Analysen machen lassen. Nahezu jeder hat in unseren Breiten einen Mangel an Vitamin D, Jod und Magnesium. Auch Mängel an Selen, Eisen, Zink, Kupfer und B-Vitaminen sind sehr häufig. Diese Mangelerscheinungen machen dann wieder vielfältige Gesundheitsprobleme, erzeugen oft Antriebs- und Energiemangel und beeinträchtigen die Funktion diverser Organe. Wenn dann dadurch die Verarbeitung der Nahrungsmittel nicht klappt oder die Aufnahme der Nährstoffe – dann beißt sich hier sozusagen die Katze in den Schwanz und wir haben einen typischen Teufelskreis. Durch Zuwarten wird hier also nichts besser, man muss aus dem Teufelskreis erst einmal ausbrechen.
Das Bedürfnis nach mehr Essen als einem bekommt, kann natürlich auch ein Mangelgefühl auf einer anderen Ebene sein. So kann ich z.B. das Bedürfnis nach Schokolade immer dann haben, wenn mein Liebster nicht da ist oder irgendein anderes Mangelgefühl in mir aufkommt und ich mich trösten will. Dann könnte ich mich fragen „was suche ich wirklich?“ und dann vielleicht jemanden anrufen, einfach Musik auflegen und tanzen, spazieren oder joggen gehen.
Sehr oft liegt aber hinter der Ersatzbefriedigung auch tatsächlich ein körperlicher Mangel an Mikronährstoffen. Wenn ich selbst mit mir zufrieden bin und meine Bedürfnisse befriedigt sind, dann entsteht gar kein Bedürfnis danach, irgendeine Lücke mit Essen als Ersatzzuwendung vollzustopfen.
Die andere Ursache liegt in unserem Mikrobiom. Wenn ich mich lange einseitig ernährt habe oder auch Antibiotika bekommen habe (siehe Blog Antibiotika) verschiebt sich die Zusammensetzung der Darmflora. Insbesondere bei Fäulnis, oft mit Neigung zu Verstopfung, stinkenden Produkten (Siehe Blog stinkt's) und Bauchkrämpfen. Hier enthält unsere Mikrobenwelt im Darm Mitbewohner, die mit Ihren Stoffwechselprodukten sich das Leben im Darm gemütlich machen und uns dagegen das Leben schwer. Sie verlangsamen z.B. die Peristaltik, um länger in der Fäulnis auszuharren oder verursachen heftige Durchfälle, um sich besser verbreiten zu können. Sie verändern unseren psychischen Zustand und unser Verhalten zu ihrem Nutzen und erzeugen bei uns Heißhunger auf das, was sie gerne essen würden.
Inzwischen gewinnen wir durch Mikrobiom-Forschung immer mehr Detailinformationen darüber, welche Mitbewohner im Darm Folge welcher Ernährung sind und welche Mikroben andererseits z.B. Übergewicht weiter fördern. Hierzu gehört z.B. der Lactobacillus acidophilus, der in vielen gesäuerten Milchprodukten, fermentierten Lebensmitteln und auch Probiotika enthalten ist. Wenn Sie unter Übergewicht leiden, sollten Sie also lieber Produkte mit Bifidobakterien zu sich nehmen und andere Lactobazillen. Wenn auf der Verpackung nicht angegeben ist, welche Bakterien enthalten sind, können Sie dies beim Hersteller erfragen. Erhitzte oder pasteurisierte Produkte enthalten keine lebenden Milchsäurebakterien mehr.
Wenn Sie also einen guten Grund haben, abnehmen zu wollen – mein Tipp als Heilpraktiker/in – schauen Sie nach den Ursachen. Hungerdiäten lösen die grundlegenden Probleme nicht und führen nur zu einem immer stärker werdenden Jojo-Effekt.
Wir müssen zuerst den Mangel beseitigen, worin auch immer er besteht.
Da Übergewicht biochemisch eine chronische Entzündung im Fettgewebe darstellt, minimieren Sie mit einer gesunden nachhaltigen Abnehmstrategie einen sehr wesentlichen Risikofaktor für alle möglichen „silent inflammation“ Krankheiten, wie auch für Infekte aller Art.
Motiviert Sie das? Packen wir es an?