Fehler oder nicht?

Neulich fragte mich ein neuer Bekannter nach meinen Fähigkeiten und Talenten. Das halte ich für eine wichtige Frage, die man sich öfter mal selbst stellen sollte. Danach sollte ich nämlich mein Leben und meine Tätigkeiten ausrichten.

Danach fragte er dann nach meinen Fehlern und Schwächen.

Hm. Das machte mich nachdenklich.

 

Natürlich ist es auch wichtig, seine eigenen Begrenzungen zu kennen und damit umzugehen.

Wenn ich von mir weiß, dass ein wesentliches Persönlichkeitsmerkmal von mir Empathiefähigkeit ist, dann ist klar, dass ein Beruf in dem einem das eher im Weg stehen würde nicht sehr geeignet für mich ist. So wäre es für einen sehr empathischen Menschen wie mich nicht ratsam, Metzger, Soldat, Richter oder Chirurg zu sein.

Aber was ist menschlich gesehen ein Fehler? Der Metzger könnte zu mir sagen: Dein Fehler ist, das du zu mitfühlend bist. Ein Therapeut würde sagen: Wunderbar, dass du so mitfühlend bist, genau das ist das Wichtigste.

Also ist die Frage, was ist tatsächlich ein Fehler? Einen Fehler kann ich nur feststellen, wenn es einen objektiven Bezugsrahmen gibt.

Wenn mein Partner für den Carport einen Balken in zwei Teile sägt und dann feststellt, dass er einen Zentimeter daneben gemessen hat und nun ist der eine Balken einen cm zu lang – naja, macht nichts, kann man nochmal absägen. Aber der andere Balken ist nun einen cm zu kurz. Den kann er also wegwerfen oder anderweitig versägen oder irgendwo den cm hinzuschummeln. Klar, da hat er sich geärgert. Das könnte man als Fehler betrachten.
Aber: So what. Shit happens! Weitergebaut.

Wenn ich früher Probleme mit der Rechtschreibung hatte, dann weil mir der Inhalt am Wichtigsten war und nicht, weil ich nicht wusste, wie es geschrieben wird, sondern weil ich beim Schreiben mit meinen Gedanken meiner Motorik voraus war. Heute hilft mir natürlich die Tastatur und das Rechtschreibprogramm. Übliche Verwechslungen kann ich erkennen und das Programm entsprechend ergänzen.

Also gut, es kann sein, mir liegt etwas nicht, weil es grundsätzlich mit meinem Wesen nicht übereinstimmt. Dann ist das kein Fehler, sondern es wäre ein Fehler, es von mir zu verlangen, obwohl es im völligen Widerspruch mit mir selbst ist.

Oder es liegt mir etwas nicht, weil ich darin wenig Übung habe oder mir irgendwer da mal in der Kindheit, in der Schule … eins reingewürgt hat und hat mich blöd aussehen lassen und dann habe ich beschlossen: Nagut, ich kann das eben nicht. Meine xyz kann sowieso alles besser, insbesondere Sport, Rechtschreibung und Mathematik. Dann lasse ich etwas, weil ich keine Übung habe und bekomme keine Übung, weil ich es gelassen habe. Dann wäre also eher der Fehler, es nicht einfach doch gemacht zu haben. Dann kann ich ja herausfinden, ob es mir tatsächlich nicht liegt oder vielleicht doch.

Ist es also ein Fehler, dass ich nicht Tischtennis, Schach oder Billard spielen kann? Nein, denn zum einen, ist es nicht notwendig, dass jeder das kann. Ich kann auch glücklich sein, ohne es zu tun. Interessanterweise habe ich nach vielen Jahrzehnten mal wieder Boule gespielt. Auch da dachte ich immer, meine Schwester kann das besser. Erstaunt stellte ich fest, dass ich mich sehr gut konzentrieren kann und dann sehr gute Ergebnisse erreiche. Vielleicht war also doch der Fehler, die verschiedenen Sportarten nicht einfach mal locker ausprobiert zu haben. Das eine oder andere hätte mir vielleicht doch gelegen.

Wichtig ist mir mit diesem Artikel, dass wir uns bewusst machen, Fehler kann man nur dann feststellen, wenn es einen objektiven Maßstab dafür gibt, was richtig und was falsch ist. Bei den allermeisten Gegebenheiten ist das nicht der Fall. Wer weiß schon völlig zweifellos, was richtig und was falsch ist? Wie viele Menschen wären sich darüber einig? Klar, es gibt ein paar Naturgesetze. Wenn etwas aus der Hand fällt, fällt es immer nach unten. Das ist die Schwerkraft.

Aber was Menschliches, Zwischenmenschliches, Allzumenschliches angeht, wer kann da wirklich sagen, was richtig und was falsch ist?

Wichtig finde ich auch, Fehler immer nur auf eine bestimmte Tätigkeit oder ein Verhalten zu beziehen. Ich kann etwas nämlich so machen oder dann feststellen, es war nicht zweckmäßig, also mache ich es nächstes Mal anders.

Wenn man „Fehler“ allerdings auf Eigenschaften, sein Wesen, sein Ich bezieht, dann kann dies sehr problematisch sein. Das Gefühl „Ich bin falsch“ ist nämlich immer nur ein negativer Glaubenssatz und als solcher erstmal grundsätzlich in Frage zu stellen!

Negative Glaubensätze sind Sätze, die wir durch schlechte Erfahrungen, durch andere Menschen scheinbar „gelernt“ haben. Sie sind Notprogramme, sie sind immer verallgemeinernd und deshalb „immer“ falsch. Weil: Immer und nie gibt es nicht. Alles andere kommt vor.

Ertappe ich mich also bei einem Glaubenssatz über mich oder die Welt, wie z.B. „ich bin falsch“, „ich bin ungenügend“, „ich bin zu … klein / groß / langsam / chaotisch / laut / lebhaft / träge / dumm / schwach / hässlich / unbedeutend / dick / ungeschickt / schüchtern / ...“ oder denke „Du darfst niemandem vertrauen“, „die Welt ist böse“, „alle Männer sind schlecht“ etc., dann kann ich das frei nach Byron Kathie in Frage stellen.

„Woher weißt Du wirklich, dass das immer und 100%ig stimmt?“

Und dann merkt man, es gibt Ausnahmen.

Und je mehr ich diese negativen Grundannahmen aufräume, desto näher komme ich meinem wahren Kern. Wenn ich spüren kann, wie ich in meinem wahren Kern bin, dann komme ich weiter. Es geht nicht darum, dass ich mich an äußeren Maßstäben so orientiere, dass ich mich immer mehr verbiege, bis ich in die Gesellschaft optimal hineinpasse und darüber mich selbst verloren habe. Es geht schon darum, mich selbst zu finden. Und dann stelle ich vielleicht auch fest, dass vieles, von dem ich dachte, dass es mir nicht liegt, eine Schwäche von mir sei, nur ein „falscher“ Anspruch an mich selbst gewesen ist.

Interessanterweise sind wir ja auch beides.
Das eine der Polarität ist das, was ich mehr nach außen zeige und das andere ist das, was ich mehr nach innen lebe. Jemand der nach außen sehr selbstbewusst auftritt, hat in sich innen drin auch einen unsicheren Teil. Jemand, der nach außen besonders tolerant ist, ist vielleicht innen drin mit sich selbst besonders streng. Jemand, der nach Außen sich besonders unabhängig gibt, ist in Momenten nah am Unterbewusstsein / Einschlafen vielleicht besonders anhänglich und kuschelig.

Wenn ich mich nun also auf meine vermeintlichen „Fehler“ fokussiere, mache ich damit zwei Dinge, die mir nicht gut tun:

a) Ich konzentriere mich auf das Negative, das ich nicht haben will. Genau damit gebe ich diesem Thema Energie und ziehe entsprechende Antworten der Welt tatsächlich an. Wenn ich mir z.B. sage „Ich kann nicht erfolgreich sein“ oder „Ich bin eben zu nett für diese Welt“, „Ich komme immer zu kurz“. Dann werde ich genau diese Erfahrungen weiter vorprogrammieren. Self-fulfillig Prophecies nennt man das, oder „den Teufel an die Wand malen“.

b) Nehme ich dabei meist einen äußeren Maßstab als gegeben an und versuche mich dem mehr anzupassen, statt mehr so zu sein und zu leben, wie ich WIRKLICH bin.

Daher ist also das Befassen mit vermeintlichen oder tatsächlichen Fehlern und Schwächen meist etwas, was mir nicht weiterhilft.

Statt mir zu sagen „ich bin zu mitfühlend, empfindsam, feinfühlig“ und dann zu versuchen, mir mehr „Härte, Straightness, Dickfelligkeit“ anzutrainiern, sollte ich also lieber schauen, wo denn diese Eigenschaften willkommen und genau richtig, nämlich keine Schwächen, sondern Fähigkeiten sind.

 

Wenn Sie also dazu neigen, hören Sie bitte auf, ihre Fehler um jeden Preis loswerden zu wollen. Erlauben Sie sich hier und da locker und ergebnisoffen etwas auszuprobieren von dem Sie bisher dachten, sie könnten es nicht. Vielleicht waren sie bisher nur zu sehr unter Druck und mit mehr Loslassen geht es dann.

Und:

Konzentrieren Sie sich bitte wirklich auf ihre Wesentlichen Gaben. Diese sind ein Kompass zu einem glücklichen, erfüllten Leben!

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